Das neue VAE-Arbeitsrecht: 5 wichtige Änderungen

Veröffentlicht am 18.12.2021

Nach mehr als vierzig Jahren haben die Vereinigten Arabischen Emirate ("VAE") ein neues Arbeitsrecht erlassen. Federal Decree-Law No. 33 of 2021 ("neues Arbeitsrecht") wird am 02.02.2022 in Kraft treten und ab diesem Zeitpunkt das bislang geltende Federal Law No. 8 of 1980 in seiner aktuellen Fassung ("derzeitiges Arbeitsrecht") vollständig ersetzen. Das neue Arbeitsrecht findet auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Privatsektor der VAE Anwendung. Umfasst sind damit grundsätzlich auch Arbeitsverhältnisse in Freihandelszonen, mit Ausnahme solcher in den Finanzfreihandelszonen Dubai International Financial Centre und Abu Dhabi Global Market. Wir erläutern für Sie fünf wichtige Änderungen, die mit dem neuen Arbeitsrecht einhergehen.

Änderung 1
Abschaffung unbefristeter Arbeitsverträge

Nach derzeitigem Arbeitsrecht kann der Arbeitsvertrag unbefristet oder befristet abgeschlossen werden. Das neue Arbeitsrecht sieht dagegen nur noch eine Vertragsart vor, nämlich einen auf bis zu drei Jahre befristeten Vertrag. Dieser kann beliebig oft um die gleiche oder eine kürzere Laufzeit verlängert werden.

Anders als es die Begrifflichkeit des befristeten Arbeitsvertrags vermuten lassen würde, besteht sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Vertrag vor Fristablauf ordentlich zu kündigen. Die Vertragsparteien können dabei eine Kündigungsfrist zwischen 30 Tagen und 90 Tagen vereinbaren.

Bestehende unbefristete Arbeitsverträge sind innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des neuen Arbeitsrechts, also bis zum 01.02.2023, auf befristete Verträge umzustellen.

Änderung 2
Flexibilisierung der Arbeitszeiten

Das derzeitige Arbeitsrecht statuiert eine Sechstagewoche mit einer maximalen Arbeitszeit von grundsätzlich acht Stunden am Tag und 48 Stunden in der Woche. Freitag ist als gesetzlicher Ruhetage festgeschrieben. Das neue Arbeitsrecht hält an den Stundenzahlen fest. Indes muss der wöchentliche Ruhetag nicht mehr notwendigerweise auf den Freitag entfallen.

Dem Privatsektor ist es daher möglich, mit Inkrafttreten des neuen Arbeitsrechts am 02.02.2022 dem neuen behördlichen Wochenende, das ab dem 01.01.2022 auf Samstag und Sonntag verlegt wird, (zumindest teilweise) zu folgen, ohne dass für ein Arbeiten am Freitag automatisch Überstundenregelungen greifen. Eine Verpflichtung zur Änderung der Arbeitswoche (mit Ausnahme von Schulen) besteht nicht.

Zudem führt das neue Arbeitsrecht verschiedene Arbeitszeitmodelle ein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können künftig eine Arbeit in Vollzeit oder Teilzeit, für einen bestimmten Zeitraum oder ein bestimmtes Projekt oder nach Arbeitsanfall vereinbaren.

Änderung 3
Modifizierung und Erweiterung von Urlaubsansprüchen

Der jährliche Erholungsurlaub ist nach neuem Arbeitsrecht im Jahr seines Entstehens zu nehmen. Ein Übertrag ins nächste Jahr ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Gesetzlich klargestellt ist nunmehr auch, dass dem Arbeitnehmer der volle Gehaltsanspruch, also Grundgehalt einschließlich aller Zuschüsse, während des Jahresurlaubs zusteht.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht nach neuem Arbeitsrecht unmittelbar nach Ende der Probezeit und nicht erst nach Ablauf weiterer drei Monate.

Der Anspruch auf Mutterschaftsurlaub erhöht sich auf 60 Tage mit vollem Gehaltsanspruch in den ersten 45 Tagen und halbem Gehaltsanspruch in den folgenden 15 Tagen. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und auch für den Fall, dass nach dem sechsten Schwangerschaftsmonat das Kind tot geboren wird oder nach der Geburt verstirbt. Indes stehen der Arbeitnehmerin nach neuem Arbeitsrecht statt 100 Tagen nur noch weitere 45 Tage unbezahlter Urlaub nach der Geburt zu, sofern sie oder das Kind aufgrund der Schwangerschaft oder Geburt gesundheitlich beeinträchtigt ist. Ist das Neugeborene krank oder behindert und benötigt es dauerhafte Betreuung, hat die Arbeitnehmerin zusätzlich Anrecht auf 30 Tage bezahlten Urlaub und weitere 30 Tage unbezahlten Urlaub. Die Möglichkeit zum Einlegen von Stillpausen während der täglichen Arbeitszeit wird auf sechs Monate nach der Geburt reduziert.

Zusätzlich zu den bereits unter dem bisherigen Arbeitsrecht gewährten Urlaubsansprüchen führt das neue Arbeitsrecht zusätzliche Urlaubsarten ein. Dazu zählen Trauerurlaub von drei bzw. fünf Tagen gerechnet ab dem Tod eines bestimmten Familienangehörigen sowie Bildungsurlaub von 10 Tagen pro Jahr zur Ableistung von Prüfungen an anerkannten Bildungseinrichtungen in den VAE für Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von wenigstens zwei Jahren.

Abgeschafft wird der unbezahlte Urlaubsanspruch auf eine maximal dreißigtägige Pilgerreise während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.

Änderung 4
Neue Rechte und Pflichten bei Kündigung während der Probezeit

Nach neuem Arbeitsrecht ist es dem Arbeitsgeber nicht mehr möglich, innerhalb der Probezeit fristlos zu kündigen. Er muss vielmehr eine vierzehntägige Kündigungsfrist einhalten.

Beendet der Arbeitnehmer während der Probezeit das Arbeitsverhältnis, um für einen anderen Arbeitgeber innerhalb der VAE zu arbeiten, hat er eine Kündigungsfrist von 30 Tagen zu beachten. Der neue Arbeitgeber ist in einem solchen Fall verpflichtet, die Einstellungskosten, die für den Arbeitnehmer angefallen sind, dem alten Arbeitgeber zu erstatten.

Kündigt ein ausländischer Arbeitnehmer während der Probezeit, um die VAE zu verlassen, muss er eine Kündigungsfrist von 14 Tagen einhalten. Kehrt er in die VAE zurück und erhält innerhalb von drei Monaten nach Ausreise eine neue Arbeitserlaubnis für die VAE, ist der neue Arbeitgeber dem alten Arbeitgeber zur Erstattung der angefallenen Einstellungskosten verpflichtet.

Verstößt ein ausländischer Arbeitnehmer gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einer Kündigung während der Probezeit und reist er aus den VAE aus, kann ihm für die Dauer eines Jahres ab Ausreise die Ausstellung einer neuen Arbeitserlaubnis verweigert werden.

Änderung 5
Abschaffung von Abzügen bei Abfindung und Änderung der Berechnungsgrundlage

Auch nach neuem Arbeitsrecht steht einem ausländischen Arbeitnehmer ein Anspruch auf Abfindung am Ende des Arbeitsverhältnisses (sogenannte Severance Pay oder End-of-Service Gratuity) zu, sofern eine Betriebszugehörigkeit von wenigstens einem Jahr vorliegt. Anders als bislang bleibt dieser Anspruch in voller Höhe bestehen, auch wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt. Abzüge von zwei Dritteln bzw. einem Drittel je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses sind künftig nicht mehr vorgesehen.

Selbst bei fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf die volle Abfindung.

Ob die Abfindung künftig tatsächlich auf Basis von Arbeitstagen, wie es der Wortlaut des neuen Arbeitsrechts ausdrücklich vorsieht, berechnet wird oder ob es sich dabei um ein redaktionelles Versehen handelt und weiterhin Kalendertage in Ansatz zu bringen sind, bleibt abzuwarten.

Ausdrücklich klargestellt durch das neue Arbeitsrecht ist, dass sich die Abfindung nur auf Basis des zuletzt gezahlten Grundgehalts berechnet. Etwaige Kommissionszahlungen oder Boni bleiben außer Betracht.

Die nach derzeitigem Arbeitsrecht bestehende Möglichkeit, die Abfindung unter bestimmten Voraussetzungen durch Zahlungen in einen Sparfonds oder eine Pensionskasse zu ersetzen, wird abgeschafft. Stattdessen sieht das neue Arbeitsrecht andere Alternativen vor, die durch Kabinettsbeschluss näher zu bestimmen sind.

Handlungsempfehlungen

Aufgrund des neuen Arbeitsrechts gilt es für Sie jetzt, unter anderem Folgendes zu beachten:

  • Auch vor Inkrafttreten des neuen Arbeitsrechts sollten Sie keine unbefristeten Arbeitsverträge mehr abschließen.
  • Stellen Sie bestehende unbefristete Arbeitsverträge bis zum 01.02.2023 auf befristete Arbeitsverträge um.
  • Prüfen Sie alle bestehenden Arbeitsverträge sowie Mitarbeiterhandbücher und Unternehmensrichtlinien auf die Vereinbarkeit mit dem neuen Arbeitsrecht und passen diese, sofern erforderlich, an.
  • Bleiben Sie kontinuierlich, auch nach Inkrafttreten des neuen Arbeitsrechts, auf dem Laufenden, denn es nimmt an vielen Stellen Bezug auf künftig zu erlassende Durchführungsverordnungen und Kabinettsbeschlüsse, die das neue Arbeitsrecht weiter konkretisieren und damit Einfluss auf bestehende Arbeitsverhältnisse haben werden.

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