Seit Mitte des Jahres 2019 treibt das Ministry of Human Resources & Emiratisation ("MoHRE") die sogenannte Emiratisierung verstärkt voran. Danach sind Bewerber emiratischer Nationalität häufiger als bislang bei der Besetzung offener Stellen zu berücksichtigen. Diese Tatsache stellt Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. Nachfolgend zeigen wir Ihnen auf, was Sie bei der Einstellung neuer Mitarbeiter nun beachten müssen:
Welche Unternehmen hatten schon bislang Vorschriften zur Emiratisierung zu befolgen?
Nach Artikel 14 des Arbeitsgesetzbuchs der Vereinigten Arabischen Emirate ("VAE") sind Arbeitserlaubnisse an Ausländer nur dann zu erteilen, wenn kein emiratischer Staatsbürger mit passender Qualifikation bei der Behörde als arbeitssuchend gemeldet ist.
Dem Wortlaut der Vorschrift nach gilt diese Bedingung uneingeschränkt für alle Arbeitgeber, die dem Zuständigkeitsbereich des MoHRE unterfallen, also für alle Unternehmen, die im Staatsgebiet der VAE außerhalb einer Freihandelszone lizenziert sind. In der Praxis waren bislang jedoch nur Unternehmen in bestimmten Sektoren oder von einer bestimmten Größe von der Emiratisierung betroffen, indem sie grundsätzlich eine gewisse Quote emiratischer Arbeitnehmer erreichen mussten. Diese lag für Banken beispielsweise bei 4% und für Versicherungen bei 5%. Gesellschaften mit 50 und mehr Angestellten hatten eine Quote von 2% zu erfüllen.
Wen trifft die neue, strengere Emiratisierungspraxis?
Bislang sind Emiratis überwiegend im öffentlichen Sektor tätig. Mit der Vision 2021 haben es sich die VAE unter anderem zum Ziel gesetzt, die Anzahl einheimischer Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft zu erhöhen.
Um dieses Vorhaben zu erreichen, werden jetzt deutlich mehr Unternehmen, die der Zuständigkeit des MoHRE unterfallen, in den Anwendungsbereich der Emiratisierung einbezogen als zuvor. Ein Algorithmus bestimmt, welche Gesellschaften betroffen sind. Dabei spielen zur Zeit Faktoren wie Unternehmensgegenstand, Qualifizierung der im Unternehmen bereits beschäftigten Mitarbeiter und Höhe der aktuell gezahlten Gehälter eine Rolle. Bisherige Erfahrungen legen nahe, dass der Algorithmus Gesellschaften mit einer Betriebsgröße von weniger als zehn Arbeitnehmern zumindest momentan nicht erfasst.
Allein ausschlaggebend für die potentielle Anwendbarkeit der neuen Emiratisierungspraxis ist, dass eine Arbeitserlaubnis beantragt wird. Daher ist es beispielsweise unerheblich, ob das MoHRE im Zusammenhang mit einem bereits im Unternehmen tätigen Mitarbeiter befasst wird. Dies kann der Fall sein, wenn eine bislang von ihrem Ehemann gesponsorte Arbeitnehmerin jetzt ihr Residence Visa über den Arbeitgeber erhalten soll. Da in diesem Zuge auch die Arbeitserlaubnis neu zu beantragen ist, greift das strengere Verwaltungshandeln.
Auf Unternehmen, die in Freihandelszonen ansässig sind, findet die neue Praxis keine Anwendung. Gleichwohl sind die Freihandelszonenbehörden angehalten, im Geiste der Emiratisierung zu agieren.
In welchen Fällen ist bei der Besetzung einer Stelle neben dem Tas'heel Centre zusätzlich ein Tawteen Centre zu involvieren?
Hat sich der Arbeitgeber im Rahmen des Einstellungsverfahrens für einen ausländischen Bewerber entschieden, beantragt er, wie gewohnt, die sogenannte Job Offer bei einem Tas'heel Centre. Anders als bislang kann nun aber die neue, strengere Emiratisierungspraxis greifen.
Deren Anwendung hat derzeit zwei Voraussetzungen. Zum einen muss sich die Job Offer auf eine Berufsbezeichnung der Skill Levels 1 bis 3 beziehen, also auf solche Tätigkeiten, die ein Diplom als Qualifikationsnachweis erfordern. Zum anderen muss sich ein Einheimischer online im sogenannten Tawteen Gate, der landesweiten Jobbörse für Emiratis, für dieselbe oder eine ähnliche Berufsbezeichnung registriert haben.
Liegen beide Voraussetzungen vor, erscheint im System des Tas'heel Centre eine Meldung. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall nicht mit der Beantragung der Job Offer für den eigentlich ausgewählten Bewerber fortfahren. Vielmehr muss er zunächst eine Stellenbeschreibung für Emiratis im Onlinesystem des Tas'heel Centre ausfüllen und im Anschluss an einem sogenannten Open Day in einem Tawteen Centre teilnehmen.
Was ist der Open Day?
Im Rahmen des Open Day werden die Bewerbungsgespräche mit den emiratischen Kandidaten geführt. Auf Seiten des Arbeitgebers sollten daher Mitarbeiter mit ausreichender Personalverantwortung teilnehmen.
Konkrete Informationen zu den einzelnen Kandidaten werden dem Arbeitgeber erst während des Open Day zur Verfügung gestellt. Dazu hat der Arbeitgeber Zugriff auf ein vom Tawteen Centre bereitgestelltes Onlinesystem. Dort sind alle am Open Day teilnehmenden Emiratis gelistet und müssen von dem Arbeitgeber am Ende des Open Day in die Kategorien "selected", "shortlisted" oder "rejected" eingeteilt werden.
Zeit und Ort verfügbarer Open Days teilt das Tas'heel Centre mit. Es kann durchaus vorkommen, dass der nächstmögliche Termin erst mehrere Monate in der Zukunft liegt. In einem solchen Fall kann ein Tawteen Centre angesprochen und um einen früheren Termin, ggf. in einem anderen Emirat, gebeten werden.
Kann ein einheimischer Kandidat abgelehnt werden?
Erfüllt ein am Open Day teilnehmender Kandidat die Anforderungen des Arbeitgebers nicht und wird mithin als "rejected" klassifiziert, muss der Arbeitgeber die Gründe der Ablehnung dem Tawteen Centre mitteilen.
Akzeptiert das Tawteen Centre die vorgebrachten Gründe, gibt es die ausgeschriebene Stelle für einen ausländischen Bewerber frei. In der Regel kann der Arbeitgeber bereits am nächsten Werktag bei dem Tas'heel Centre mit der Anstellung des ursprünglich ausgewählten ausländischen Kandidaten fortfahren.
Welche Gründe das Tawteen Centre akzeptiert, um die Stelle für einen ausländischen Bewerber zu öffnen, liegt im Ermessen der Behörde und ist stark am konkreten Einzelfall orientiert. So wurde in der Vergangenheit zum Beispiel das Fehlen bestimmter Sprachkenntnisse als ausreichend erachtet.
Das Wichtigste in Kürze
Im Rahmen der verschärften Emiratisierungspraxis des MoHRE gilt es für Sie jetzt, Folgendes zu beachten:
- Prüfen Sie, ob die neuen Vorgaben auf Ihr Unternehmen Anwendung finden. Sie betreffen nur Arbeitgeber im Staatsgebiet der VAE, nicht auch in Freihandelszonen, und derzeit nur ausgeschriebene Positionen der Skill Levels 1 bis 3. Auch scheinen bislang nur Unternehmen mit mehr als 9 Mitarbeitern der neuen Verwaltungspraxis zu unterfallen.
- Planen Sie die Besetzung der vakanten Stelle so früh wie möglich. Das neue Prozedere kann erheblichen Einfluss auf den zeitlichen Ablauf der Einstellung nehmen.
- Informieren Sie den ausländischen Bewerber frühzeitig über das behördlich vorgegebene Verfahren. Dadurch vermeiden Sie, dass ein falscher Eindruck über Sie als Arbeitgeber entsteht und der Bewerber abspringt.
- Treten Sie aktiv in Kontakt mit dem zuständigen Tawteen Centre und erläutern das Anforderungsprofil an die zu besetzende Position. Dies kann das Verfahren zeitlich verkürzen.
- Erteilen Sie einem ausländischen Bewerber vor Abschluss des Tawteen-Verfahrens keine verbindliche Zusage.