Die COVID-19-Pandemie hat für den Arbeitsmarkt der Vereinigten Arabischen Emirate ("VAE") weitreichende Konsequenzen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie auch Behörden stehen derzeit vor der Herausforderung, sich auf eine stetig ändernde Situation einzustellen, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und für die Zeit nach der Krise gut gerüstet zu sein. Wir geben Ihnen im Folgenden Antworten auf die häufigsten Fragen, die uns unsere Mandanten in den letzten Wochen gestellt haben.
Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber, wenn ein Arbeitnehmer mit COVID-19 infiziert ist?
Die VAE haben COVID-19 kürzlich zu der Liste der Krankheiten hinzugefügt, die Federal Law No. 14 of 2014 on Control of Communicable Diseases unterfallen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nun dazu verpflichtet ist, das Ministry of Health & Prevention oder das nächstgelegene Gesundheitsamt, wie beispielsweise die Dubai Health Authority, unverzüglich über einen Verdachtsfall oder einen bestätigten Fall von COVID-19 zu informieren. Verstößt ein Arbeitgeber gegen diese Benachrichtigungspflicht, drohen Haftstrafen und/oder eine Geldstrafe von bis zu AED 10.000.
Das Gesetz enthält keine Angaben dazu, wie sich die Ansteckung eines Angestellten mit einer Infektionskrankheit auf den Arbeitsablauf auswirkt, ob also beispielsweise eine temporäre Schließung des Betriebs notwendig wird.
Ist ein Arbeitnehmer an COVID-19 erkrankt und kann daher seine Arbeitsleistung nicht erbringen, ist dies als Krankheit im Sinne des Federal Law No. 8 of 1980 in seiner derzeit gültigen Fassung ("VAE-Arbeitsgesetz") einzustufen. Dem Arbeitnehmer steht somit die gesetzlich normierte oder, sofern vorteilhafter, die einzelvertraglich vereinbarte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu.
Äußert ein Arbeitnehmer Vorbehalte, in der derzeitigen Situation die Arbeitsstelle aufzusuchen, sollte der Arbeitgeber diese Bedenken ernst nehmen und nach den genauen Gründen fragen. Gemeinsam kann nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden, wie beispielsweise Veränderung des Arbeitsplatzes, Homeoffice oder Urlaub in bezahlter oder unbezahlter Form. Ein Recht des Arbeitnehmers, der Arbeit aufgrund einer generellen Angst vor einer Ansteckung fernzubleiben, besteht aber nicht.
Was hat ein Arbeitgeber zu veranlassen, um einer Infektion am Arbeitsplatz vorzubeugen?
Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers folgt, allen Arbeitnehmern einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.
Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie bedeutet dies, das Infektionsrisiko soweit wie möglich zu reduzieren. Je nach Art der Arbeit können dazu unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden. Jedenfalls sollten die Mitarbeiter in einer für sie verständlichen Sprache über COVID-19 aufgeklärt und ihnen einfache Verhaltensregeln, wie regelmäßiges und gründliches Händewaschen sowie Abstandhalten, aufgezeigt werden. Zudem sollte deutlich gemacht werden, dass Mitarbeiter, die sich unwohl fühlen, nicht zur Arbeit erscheinen und bei Bedarf medizinischen Rat einholen sollen. Auch sollten Atemschutzmasken sowie Desinfektionsmittel für die Hände und zur Sterilisation von Arbeitsgeräten am Arbeitsplatz bereitgestellt werden. Termine, die nicht unbedingt in Person wahrgenommen werden müssen, sollten abgesagt, verschoben oder im Wege der Videokonferenz durchgeführt werden. Die vorgenannten Maßnahmen entsprechen Leitlinien, die das Ministry of Human Resources & Emiratisation ("MoHRE") am 15.03.2020 zum Umgang mit COVID-19 veröffentlicht hat.
Zudem bestehen aktuell Restriktionen in Bezug auf die Anzahl der Arbeitnehmer, die gleichzeitig in einer Arbeitsstätte tätig sein dürfen. Unternehmen aus der Privatwirtschaft, die im Staatsgebiet des Emirates Dubai lizenziert sind, hat Dubai Economy als zuständige Behörde am 25.03.2020 angewiesen, ab sofort bis zum 09.04.2020 Homeoffice für wenigstens 80% der Belegschaft einzuführen. Von dieser Regelung ausgenommen sind Betriebe aus den Bereichen Health, Pharmaceutical, Food Retail Outlets (einschließlich Animal Feed), Industrial and Manufacturing, Construction, Contracting and Building Materials, Security Services, Logistics and Delivery Services, Supply Chain, Workshop, Cleaning Services, Cash Transport sowie Banking. Auf föderaler Ebene verfügte das MoHRE mit Ministerial Resolution No. 281 of 2020 am 26.03.2020, dass maximal 30% der Angestellten an der Arbeitsstätte anwesend sein dürfen und legte zudem temporär gültige Richtlinien zur Nutzung des Homeoffice fest.
Was gilt, wenn ein Arbeitnehmer seinen Urlaub im Ausland verbracht hat und aktuell aufgrund von Reisebeschränkungen nicht in die VAE zurückkehren kann?
Am 25.03.2020 wurden alle Passagierflüge in die und aus den VAE, einschließlich aller Transitflüge, für eine Dauer von zunächst zwei Wochen zur Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19 ausgesetzt. Einige andere Länder hatten bereits zuvor den Flugverkehr eingestellt. Mithin kann es Arbeitnehmern derzeit unmöglich sein, rechtzeitig nach Ablauf ihres Urlaubs wieder am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Das VAE-Arbeitsgesetz enthält keine Vorschriften für den Fall, dass ein Mitarbeiter die Arbeitsleistung bedingt durch Umstände, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, nicht erbringen kann. Auch Arbeitsverträge dürften in den meisten Fällen keine Regelungen für derartige Situationen beinhalten.
Daher ist ein pragmatisches Vorgehen angezeigt. Ist es dem Arbeitnehmer möglich, seine Arbeitsleistung auch im Wege des Homeoffice aus dem Ausland heraus zu erbringen, sollte dies dem Arbeitnehmer angeboten werden. Besteht die Möglichkeit nicht oder ist der Arbeitnehmer dazu nicht bereit, sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub zu verlängern. Es unterfällt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, bezahlten Urlaub in den Grenzen von Artikel 76 VAE-Arbeitsgesetz anzuordnen. Sollte das Urlaubskonto des Arbeitnehmers ausgeschöpft sein, kann mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden, dass er unbezahlten Urlaub nimmt. Unbezahlter Urlaub ist allerdings, anders als bezahlter Urlaub, nicht einseitig durch den Arbeitgeber festlegbar.
Ist der Ausbruch von COVID-19 ein Grund zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen?
Die bislang von dem MoHRE erlassenen Verordnungen erklären COVID-19 oder die Folgen des Ausbruchs von COVID-19 weder zu einem Grund für eine außerordentliche Kündigung noch zu einem angemessenen Grund für eine ordentliche Kündigung. Mithin verbleibt es bei den bislang geltenden Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
Welche Optionen hat ein Arbeitgeber, der aufgrund der COVID-19-Pandemie droht, in finanzielle Schieflage zu geraten?
Um den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise entgegenzuwirken, wurden bereits verschiedene Maßnahmen in unterschiedlich Bereichen getroffen. Die Regierung hat Konjunkturpakete in Höhe von mehr als AED 116 Mrd. aufgelegt. Lokale Banken, Lizenzbehörden und institutionelle Vermieter bieten ebenfalls Hilfen an. Arbeitgeber sind daher gut beraten, sich über die verschiedenen Programme zu informieren und aktiv den Kontakt zu suchen.
Regelungen zur Kurzarbeit existieren in den VAE nicht. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Mit Ministerial Resolution No. 279 of 2020 vom 26.03.2020 hat das MoHRE einen ersten Schritt zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes in der Privatwirtschaft getan und ermöglicht für ausländische Arbeitnehmer vorübergehend flexiblere Arbeitsstrukturen. Dazu zählt beispielsweise, dass der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Arbeitnehmer die folgenden Schritte ergreifen kann: Homeoffice, bezahlter Urlaub, unbezahlter Urlaub, temporäre Gehaltskürzung und permanente Gehaltskürzung. Zudem können Mitarbeiter, die aufgrund schlechter Auftragslage aktuell nicht ausreichend beschäftigt werden können, auf der Online Plattform Virtual Labour Market des MoHRE registriert werden, so dass eine vorübergehende Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber möglich ist.
Fazit
Die COVID-19-Pandemie fordert ein großes Maß an Pragmatismus und Flexibilität sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern. Im Vordergrund des Handelns sollte nach Möglichkeit der Erhalt der Arbeitsplätze stehen. Dies sichert nicht nur die Existenzgrundlage der Arbeitnehmer, sondern auch das wirtschaftliche Fortkommen des Unternehmens nach der Krisenzeit, indem ohne Zeitverzug und Kostenaufwand auf erfahrene Mitarbeiter zurückgegriffen werden kann. Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber die Belegschaft frühzeitig und nachvollziehbar über geplante Maßnahmen informiert und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden.