Vereinigte Arabische Emirate: Handelsvertreter- und Distributionsverträge – Besonderheiten des lokalen Rechts

IWRZ, Oktober 2016, S. 238 f.

I. Einführung

Der Markt der Vereinigten Arabischen Emirate ("VAE") kann auf unterschiedliche Weisen bearbeitet werden. Neben direkten Exportgeschäften oder der Gründung einer eigenen Niederlassung vor Ort kommt auch die Bestellung von Handelsvertretern oder Distributoren in Betracht.

Meist wird ein Handelsvertreter oder Distributor durch Vertrag ernannt. Gesetzliche Grundlagen finden sich im VAE-Bundesgesetz Nr. 18 aus dem Jahr 1981 in seiner derzeit gültigen Fassung ("Commercial Agency Law") sowie - entweder alternativ oder kumulativ - im Handelsrecht und allgemeinen Zivilrecht der VAE. Bezüglich der einschlägigen Normen wird grundsätzlich danach unterschieden, ob der jeweilige Handelsvertreter- oder Distributionsvertrag bei der registerführenden Behörde, dem Ministry of Economy, eintragungsfähig ist und tatsächlich eingetragen, also offiziell registriert, wurde.

II. Registrierte Handelsvertreterverträge

Obwohl ausländische Unternehmen in der Regel auch auf Grundlage eines nicht registrierten Vertrags Güter in den VAE vertreiben können, ist in manchen Fällen eine Registrierung des Handelsvertreter- bzw. Distributionsvertrags bei dem Ministry of Economy unumgänglich. Dies gilt oftmals für Vertragsbeziehungen mit (teils) staatlich gehaltenen Unternehmen oder bei Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen.

1. Anwendungsbereich des Commercial Agency Law

Eine Registrierung des Vertragsverhältnisses setzt voraus, dass der Hersteller der Güter oder ein vom Hersteller exklusiv bestellter Händler ("Prinzipal") entweder einen Staatsbürger der VAE oder eine juristische Person, die vollständig von emiratischen Staatsbürgern gehalten wird, als Handelsvertreter bestellt.

Folge der Registrierung ist die zwingende Anwendbarkeit des Commercial Agency Law. Die Vorschriften dieses Gesetzes können einzelvertraglich nicht abbedungen werden und gelten für Handelsvertreter und Distributoren gleichermaßen. Aufgrund der unterschiedslosen Behandlung von Handelsvertretern und Distributoren im Commercial Agency Law wird im Folgenden der Einfachheit halber für beide Vertriebsformen der Begriff "Handelsvertreter" verwendet.

2. Auswirkungen registrierter Handelsvertreterverträge

Aus der Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf emiratische Staatsbürger oder vollständig emiratisch gehaltene juristische Personen erklärt sich, warum das Commercial Agency Law dem registrierten Handelsvertreter außergewöhnlich weitreichende Schutzrechte einräumt.

a. Exklusivität

So genießt ein registrierter Handelsvertreter Exklusivität für die Mittelung von Handelsgeschäften bzw. den Vertrieb solcher Produkte, die der Handelsvertretung unterfallen und in dem Territorium, für das der Handelsvertreter bestellt wurde, verkauft werden. Bedient sich der Prinzipal eines anderen Verkaufskanals als dem des eingetragenen Handelsvertreters, z.B. durch eigenen Direktimport oder Nutzbarmachung einer weiteren Geschäftsverbindung, kann der Handelsvertreter auch für diese Geschäfte seinen Provisionsanspruch einfordern. Dabei ist unerheblich, ob er in irgendeiner Art und Weise an dem Geschäft beteiligt war. Ausgenommen sind allenfalls solche Transaktionen, von denen der Prinzipal keine Kenntnis hatte oder haben konnte.

b. Blockademöglichkeit

Neben der Geltendmachung des Provisionsanspruchs für Parallelimporte hat der registrierte Handelsvertreter die Möglichkeit, Waren, die an seiner Handelsvertretung vorbei in die VAE eingeführt werden sollen, vom Zoll konfiszieren zu lassen und somit die Verbringung dieser Güter in die VAE zu verhindern. Dies kann das Geschäft des Prinzipals faktisch zum Erliegen bringen.

c. Hohe Anforderungen an Vertragsbeendigung

Die protektionistische Ausgestaltung des Commercial Agency Law zugunsten des registrierten Handelsvertreters zeigt sich außerdem bei der Beendigung des Vertriebsverhältnisses. Zum einen kann ein unbefristeter Handelsvertretervertrag nicht durch bloße Kündigung bzw. ein befristeter Vertrag nicht durch bloße Nichtverlängerung beendet werden. Dafür bedarf es vielmehr eines sogenannten rechtfertigenden Grundes, wobei dieses Tatbestandsmerkmal im Gesetz nicht näher definiert ist. Zum anderen bewirkt erst die tatsächliche Austragung des Handelsvertretervertrages aus dem Register des Ministry of Economy, dass keine weiteren Ansprüche des Handelsvertreters entstehen und der Prinzipal in der Lage ist, entweder einen neuen Handelsvertreter zu bestellen oder in Eigenregie die Güter ungehindert in den VAE zu vertreiben. Eine Austragung nimmt die Behörde nur aufgrund Gerichtsurteils oder mit ausdrücklicher Zustimmung des registrierten Handelsvertreters, die dieser gewöhnlicherweise nur gegen (hohe) Ausgleichszahlung zu erteilen bereit ist, vor.

3. Hinweise zur Vertragsgestaltung

Die äußerst vertreterschützenden Bestimmungen des Commercial Agency Law erfordern eine sorgfältige Gestaltung des Handelsvertretervertrages.

Es empfiehlt sich, die Vertragsbeziehung örtlich und sachlich einzuschränken, etwa durch Zuweisung nur eines einzelnen Emirates statt der gesamten VAE und/oder durch Zuweisung nur einer bestimmten Produktreihe statt des gesamten Herstellersortiments. Zudem sollten Gründe, die eine Kündigung bzw. Nichtverlängerung rechtfertigen können, ausdrücklich vereinbart und detailliert beschrieben werden. Der Prinzipal kann den Handelsvertreter beispielsweise zum Erreichen bestimmter Umsatz- oder Aktivitätsziele verpflichten und den Handel mit Konkurrenzprodukten untersagen. 

Der Wortlaut des Commercial Agency Law verbietet es zwar grundsätzlich nicht, den Handelsvertretervertrag einem ausländischen Recht zu unterstellen. Praktisch dürfte aber eine Rechtswahlklausel aufgrund der Nichtabdingbarkeit der Vorschriften des Commercial Agency Law kaum umsetzbar sein. Für Rechtsstreitigkeiten aus registrierten Handelsvertreterverträgen genießen die Gerichte der VAE ausschließliche Zuständigkeit. Abweichende vertragliche Regelungen zum Gerichtsstand sind mithin unwirksam.

Aufgrund dieser insgesamt eingeschränkten Möglichkeiten der Vertragsgestaltung kommt der Auswahl des künftig eingetragenen Handelsvertreters besondere Bedeutung zu. Eine genaue Prüfung seiner Eignung ist unerlässlich. 

III. Nicht registrierte Handelsvertreterverträge

Für nicht registrierte Handelsvertreterverträge findet das Commercial Agency Law keine Anwendung. Gesetzliche Grundlagen können aber Vorschriften aus dem Handels- und allgemeinen Zivilrecht bilden, wobei Einzelheiten streitig sind.

Sollte sich der Prinzipal gegen die Registrierung eines eigentlich registrierungsfähigen Vertrages entscheiden oder sollte er einen solchen Vertragspartner als Handelsvertreter auswählen, der nicht ausschließlich emiratischer Nationalität ist und damit dem Vertrag schon die Registrierungsfähigkeit nicht eröffnen, ist zu bedenken, dass gemäß dem Wortlaut des Commercial Agency Law eine solche Handelsvertretung als unbeachtlich gilt und Ansprüche aus derartigen Handelsvertretungen nicht gehört werden. Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob in diesem Fall lediglich die Bestimmungen des Commercial Agency Law nicht zur Anwendung gebracht werden können oder aber auch andere Rechtsgrundlagen, wie etwa aus Handels- oder Zivilrecht. Letzteres hätte zur Folge, dass die Vertragsparteien mangels rechtlicher Durchsetzbarkeit ihrer Vereinbarung schutzlos stünden.

Um dieser Rechtsunsicherheit praktisch vorzubeugen, sollte der Prinzipal insbesondere seinen Zahlungsanspruch möglichst so absichern, dass die Zahlung auch ohne Einschaltung der Gerichte gewährleistet ist, beispielsweise durch Vereinbarung von Vorauszahlung, Akkreditiv oder Bankgarantie. Ungeachtet des - wohl auch eher wenig bekannten - Meinungsstreits existieren in den VAE tatsächlich eine Vielzahl nicht registrierter Handelsvertreterbeziehungen. 

IV. Fazit

Obgleich ein registrierter Handelsvertretervertrag dem Prinzipal ohne Zweifel zum Nachteil gereichen kann, birgt eine Registrierung auch Vorzüge. Zum einen eröffnet sie gerade bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand oft überhaupt erst den Zugang zum Markt. Zum anderen behält der Prinzipal die Hoheit über den Vertrieb seiner Produkte, da diese ausschließlich über den eingetragenen Handelsvertreter in das Territorium verbracht werden können. Sowohl der Import von Gütern durch nicht autorisierte Händler als auch die Einfuhr von Produktfälschungen kann in Zusammenarbeit mit dem registrierten Handelsvertreter verhindert werden.

Sofern es die Branche des Prinzipals erlaubt, dürfte im Ergebnis jedoch ein Vertriebsverhältnis ohne registrierten Vertrag vorzuziehen sein. Denn die Vertragsbeziehungen können in diesem Fall wesentlich flexibler - in manchen Konstellationen sogar ganz ohne Handelsvertretervertrag - gestaltet werden, was es dem Prinzipal ermöglicht, auf Augenhöhe mit dem Handelsvertreter zu verhandeln und später zu agieren.

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